Einen Schnabel und eine Schnauze. Mehr sieht man nicht. Vom Ufer aus könnte man denken, dass es sich um ein fantastisches Tier handelt, das da aus dem Fenster luschert. Wer besitzt schon eine Schnauze und einen Schnabel zugleich? Aber natürlich wisst ihr längst, dass es sich um Möwe Molle und Bootshund Piet handelt. Was beobachten sie denn da? Ach, schau mal , wer da auf seinem Fahrrad ankommt. Der lange Kurt. Das ist der Briefträger aus dem Ort. Eigentlich heißt er Kurt Lange. Aber welches Tier interessiert sich schon für Nachnamen. Deswegen haben sie ihn irgendwann nur noch den langen Kurt genannt. Obwohl er alles andere als lang ist. Er ist eher kurz geraten. Fällt dank seiner grünen Haare aber doppelt auf. Kurt prahlt immer damit, dass er mal ein richtig wilder Rockstar war. Doch die schrille Haarfarbe ist das einzige, was aus seiner wilden Zeit geblieben ist. Denn der lange Kurt ist mittlerweile ein ziemlich ruhiger Geselle. Jetzt ist der lange Kurt am Steg angekommen und winkt Molle zu: “ Die Post ist da!“ Molle und Piet sind in Windeseile auf Deck und sprinten ihm entgegen. „Die Post. Juhu! Ist auch was für mich dabei?“ fragt Molle aufgeregt. „Irgendwann muss ja auch mal was für mich in deiner dicken Tasche sein!“ Piet schnüffelt aufgeregt am Rad. Doch der lange Kurt winkt leider ab: „Mensch Molle, es ist wieder nichts dabei! Du weisst doch. Wenn du Post bekommen willst, dann muss dir zuerst mal einer schreiben. Und mir wäre wirklich neu, dass nun auch schon Möwen Briefe verfassen. Ihr bräuchtet mich dann gar nicht mehr. Ihr könntet eure Briefe ja direkt persönlich als Luftpost verschicken. Du wärst doch eine top Brief-Möwe.“ Der lange Kurt lacht laut. Als er aber merkt wie traurig Molle ist, ergänzt er schnell: „Das war doch nur ein Spaß. Kannst du denn schreiben, Molle?“ Das Möwenmädchen schüttelt den Kopf: „Nein, aber ich kann ein wenig Lesen. Und überhaupt könnte ja auch Hanno für mich schreiben.“ Piet hatte bislang seine süße Schnauze gehalten. Bis jetzt: „Molle, nicht jede Möwe da draußen hat so einen tollen Hanno daheim. Und überhaupt, gibt es auch oft Post über die sich Hanno gar nicht freut. Die überdicken Prospekte vom Supermarkt und die blöden Rechnungen. Das eine regt den Hunger an und das andere den Bauch auf.“ Hanno kommt an Deck und streichelt Piets Fell: “ Wo Piet recht hat, hat er Recht.“ Hanno nimmt drei graue Briefe entgegen und brummt. Übersetzt heißt das „Rechnungen“. Dafür bräuchten Molle und Piet nicht einmal lesen können.
Abends grummelt Molle noch lange rum. Sie steht in der Küche vor der Pinnwand und zählt Hannos Postkarten… 1, 2, 3… 16. „Bohh, Hanno. Woher kennst du diese ganzen Leute? Und wer ist eigentlich Frida? Die hat ja sogar ein Schiffchen drauf gemalt.“ Hanno streckt seinen Kopf aus dem Flur herein: „Ich bin halt lange zu See gefahren und ordentlich rumgekommen. Da lernt man viele nette Menschen kennen. Und Frida ist eine alte Bekannte.“ Seine Wangen werden richtig rot. Doch bevor Molle noch mehr dazu fragen kann, schmeißt Hanno auch schon den Staubsauger an und jedes Wort wird vom Krach verschluckt. Was es damit wohl auf sich hat? Hanno hat noch nie von einer Frau erzählt. Die muss schon etwas ganz besonderes sein, denkt sich Molle und schaut sich die Postkarte von der Dame ganz genau an.
Die Tage vergehen und Molle wartet immer noch vergebens auf eine Postkarte. Bis zum 23. Tag des Frühlings. Da sollte etwas ganz Verrücktes passieren. Der lange Kurt ruft schon aus der Ferne die frohe Botschaft: „Molle ich habe Post für dich! Molle! Ehrlich! Sperr mal deine Federohren auf! Du bekommst Post!“ Piet hört ihn als erster und steigt direkt ein: „Molle, hörst du. Du bekommst Post!“ Endlich hört auch Molle die Rufe und landet ganz aufgeregt neben der dicken Ledertasche. Kann das wahr sein? Wer sollte ihr denn Schreiben. Der lange Kurt kramt einen dicken, fetten Stapel Postkarten hervor. „Das sind ja mindestens 30 Stück“, stammelt Molle. „Ja. Ich weiss“, sagt er strahlend. „Die sind alle nur für dich.“ Molle schaut sich die erste an. Darauf ist eine Möwe mit einem Eis. „Lies vor!“, bittet sie Kurt schnell. „Moin Molle, das Eis schmeckt formibable. Es grüßt dich eine Möwenfreundin aus Frankreich.“ Molle zieht die nächste Postkarte aus dem Stapel und versucht nun selbst die Buchstaben richtig zusammenzusetzen „Hallo Molle, ich bin die Möwe Albert vom Tanker 90. Gerade haben wir in Schottland angelegt. Windige Grüße.“ Piet strahlt über alle Barthaare und fragt sich leise: „Wie kann das möglich sein? Woher kennen die Molle?!“ „Die kennen mich!“ flüstert Hanno ins Hundeohr. „Ich habe mir gedacht, dass meine Molle auch mal ein paar Grüße aus der Welt gebraucht. da habe ich ein paar alte Kontakte angefunkt.“ Molle zappelt derweil aufgeregt herum. Mit den Flügeln wirbelt sie die bunten Postkarten durcheinander. Was für eine Freude. Jetzt braucht sie eine Pinnwand „Hier ist aber auch noch etwas für dich!“ sagt der lange Kurt und streckt Hanno einen Brief entgegen. „Ohhh….“ mehr kommt nicht aus Hannos Mund als er auf den Absender schaut. Das ist schon einmal keine Rechnung, denkt sich Molle und dann sieht sie das kleine gemalte Schiffchen auf der Rückseite. Molle weiss genau, von wem dieser Brief ist. Er ist von Frida. Hanno kramt ihn schnell in seine Jackentasche und flüstert nur: „Den lese ich später. Das ist eine andere Geschichte!“
Illustrationen von Diana Kohne von handundmaus.de